Von wachsenden Zweifeln und wundervollen Menschen

Die abenteuerliche Reise zur Geburt | Part 5

Bevor ich loslege, bitte ich zu beachten:

 

In diesem Beitrag schreibe ich über mein Geburtserlebnis und nehme dabei nicht immer ein Blatt vor den Mund. Es war (leider) kein Wellness-Urlaub, sondern eben eine Geburt. Einerseits eine völlig natürliche Sache, andererseits können auch Worte und Details beschrieben sein, die manche Leser*innen beunruhigend finden können.

Entbindungsstation | Tag 4 - Donnerstag

Also eigentlich hatten wir nun schon fest damit gerechnet längst unser Baby in den Armen zu halten und was war: Pustekuchen, nichts war!

 

Das Kind schaukelte immer noch gemütlich in meinem Bauch umher. Wobei, so richtig Schaukelplatz gab es zu der Zeit nun wirklich nicht mehr. Aber der All-Inklusive-Service funktionierte immer noch einwandfrei: Klimaautomatik, Essen und Trinken nach Bedarf und Wunsch sowie eine kuschelig-geborgenen Atmosphäre mit sanftem und regelmäßigem Rauschen und Klopfen als Begleitmelodie. Da lässt man es sich gerne gut gehen, offensichtlich!

 

Nunja, die werdende Mama aber wurde zunehmend ungeduldiger. Nein, Ungeduld ist nicht das richtige Wort. Ich fühlte mich zunehmend mürbe, müde, gestresst, gedrängt, genervt…

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Aber beginnen wir den Tag erstmal: 

 

Es war wieder irgendwann früh morgens… für mein Befinden grundsätzlich ZU früh morgens (ja, ich gehöre der Gattung Murmeltier an)! Da standen sie wieder in der Türe – eine Hebamme und dieses Mal auch eine Ärztin (im Nachgang ist mir übrigens aufgefallen, dass ich während des gesamten Aufenthalts in der Klinik ausschließlich mit weiblichen Fachkräften zu tun hatte. Nur der Kinderarzt zuletzt war ein Mann.). Der Muttermund wurde nochmals untersucht mit dem wiederholten Ergebnis, dass sich die letzten beiden Tage nichts – nochmal:  N I C H T S  – getan hatte!

Als weiteres Vorgehen wurde also eine Amniotomie, die künstliche Öffnung der Fruchtblase – auch Blasensprengung genannt – vorgeschlagen. „Ja, dann macht halt. Ihr werdet schon wissen was ihr tut.“, dachte ich bei mir und stimmte zu.

 

Auf die Blasensprengung folgten wieder leichtere Wehen, die im Verlauf des Vormittags schon wieder abflachten. Und das fand ich nun wirklich alles andere als toll. Denn ich erwähnte ja schon, dass es mir mental zunehmend schlechter ging. Meine Gefühlswelt schwankte zwischen hoffnungsvoll und verzweifelt, dann resignierend, lachend, weinend…

Die gesamte Situation macht es einer werdenden erstgebärenden Mutter, die überhaupt keine Ahnung hat, was da auf sie zukommt oder zukommen kann, wirklich nicht einfach. Auf der einen Seite ging es unserem Kind, den zahlreichen CTGs nach, immer gleich gut. Das Kind fühlte sich offensichtlich wohl im Bauch und es gab keinerlei Komplikationen. Andererseits macht die Medizin Druck – bewusst oder unbewusst, gewollt oder nicht…

 

Das Ergebnis ist eine schwangere Erstgebärende im Zustand einer völlig unkontrollierbaren und stetig wachsenden Ambivalenz. Eine mögliche Entspannung rückt mit jeder weiteren Stunde und mit jedem weiteren „Einleitungsversuch“ in immer weitere Ferne…

 

Es kommen Selbstzweifel auf – hätte, sollte, könnte, müsste ich mich irgendwann, irgendwo und irgendwie anders verhalten? Ich kann mich erinnern, dass ich mit einer innerlich anwachsenden Wut auf dem Pezzi-Ball saß und vor mich hin wippend nicht mehr wusste, was ich noch tun sollte. Aber ich durfte ja nicht wütend sein. ICH MUSS MICH JA ENTSPANNEN! Vielleicht mag das Kind nicht kommen, weil ich so gestresst bin? Vielleicht ist doch irgendwas nicht in Ordnung – mit mir, mit dem Kind?! Was da in meinem Kopf abging…! Ja, ich hatte keine Schimmer, ich hatte wirklich keinerlei Ahnung, dass das für mich erst die Einstimmung darauf war, was noch kommen sollte!

 

Um meine Gedanken besser sortieren und innerlich zur Ruhe kommen zu können, wollte ich baden. Beim Baden entspannt man doch, heißt es immer, oder nicht?! Aber schwanger, in der Klinik, während der Geburtseinleitung und mit geöffneter Fruchtblase kann man nicht einfach mal so ein Vollbad nehmen, NEIN! Innerlich bin ich ja auch noch ein viel, viel größerer, unbändiger, eigensinniger Sturkopf und Dickschädel, als ich es nach außen hin (leider) zeigen kann. Also weigerte ich mich innerlich vehement dagegen überhaupt fragen zu müssen, ob ich mit über 40 Jahren baden gehen darf! Und drückte gleichzeitig brav den „Schwestern“-Knopf, um höflich nachzufragen…

 

„Nein, Baden wäre besser, wenn die Wehentätigkeiten regelmässiger und stärker sind.“, war die Ansage. „Aber wenn Sie sich nicht wohlfühlen, können Sie sich ja gerne ein bisschen abwaschen oder kurz duschen.“ Und als Gegenvorschlag zum Baden wurde mir ein möglicherweise wehenfördernder Einlauf empfohlen, den ich dankend ablehnte! Einen Einlauf, echt jetzt?! Ich wollte baden, um mich zu entspannen und nicht noch größeren Druck aufbauen!!! So fühlte es sich in dem Moment zumindest für mich an.

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Und dann vergingen weitere Stunden mit CTG, Klinikflure und -außenflächen umkreisen, auf dem Pezziball schwingen und immer nervöser werdende Nachrichten von Familie und Freunden beantworten…

 

Nicht nur das Personal auf der Entbindungsstation, auch die Mitarbeiter am Empfang, die Corona-Security-Leute sowie regelmäßige Klinik-Besucher grüßten uns inzwischen wie alte Bekannte. Eine nette Frau sagte im Vorbeigehen mal: „Sie laufen ja immer noch rum, Sie Arme!“. Das ein oder andere Mal hatten wir morgens im Wartebereich der Entbindungsstation Schwangere sitzen sehen, die auf Einlass warteten und ein paar Stunden später wurden eben diese an uns vorbei in den Aufzug gefahren, um zu Wöchnerinnenstation gebracht zu werden – mit ihrem Baby natürlich.

 

Ja… der vierte Tag zerrte wirklich an meinen Nerven. Und mein Mann hielt sich wacker an meiner Seite. Nicht nur, dass er eine klettige, jammernde, gefühlsduselige Frau neben sich hatte – auch coronabedingt war es für ihn gar nicht einfach, mal eben das Klinikgelände zu verlassen, auch wenn es mal notwendig gewesen wäre. Er hätte am gleichen Tag keinen Einlass mehr erhalten… Eigentlich…

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Aber wie das so ist mit mutigen Rittern, die sich wacker jeder sich bietenden Gefahr stellen, galoppierte er auf seinem Schimmel, mit schwerer Rüstung und Lanze bewaffnet, hinfort und ließ alle Hindernisse furchtlos hinter sich… Ja, so die Phantasie in meinem Kopf… Tatsächlich wollte er einfach kurz etwas besorgen. Im nächstgelegenen Supermarkt.

Der Schimmel entpuppte sich zu einem – nach 4 Tagen Stillstand in der Klinik-Tiefgarage – nicht anspringen wollenden Ford (auch wenn es jetzt irgendwie passend wäre, aber nein, kein Mustang). Und ja, hierauf passt der Spruch dann natürlich perfekt: „Ford kaufen, Ford fahren, For(d)t-schmeißen.“ Das Problem wurde aber gelöst und unser Ford-Schnuckel leistet bis heute sehr treue Dienste.

 

Nun, zu der Zeit sprang er eben nicht an. Für mich hatte die Abwesenheitszeit meines Mannes dann auch schon einen „Ich hol mal eben Zigaretten, Baby“-Charakter… Mal schnell in den Supermarkt – wie lange dauert das denn? 30 Minuten? Vielleicht 60 Minuten? Dank der heutigen Technik ist man ja aber permanent im Austausch. Also schaute ich mal auf mein Handy. Ah, tatsächlich – er teilte mir mit, dass die Autobatterie leer sei.

 

Und völlig unverhofft bekam mein Mann glücklicherweise Hilfe: Einen netten älteren Herrn, der auf seine Frau wartete, die er täglich zur Behandlung in die Klinik brachte und begleitete. Er sah meinen Mann, der den Kopf tief in der Motorhaube vergraben hatte. Der Mann wusste natürlich, dass wir ein Kind erwarteten, da uns mehrfach auf dem Klinikgelände hat gemeinsam rumtigern sehen. Dank seiner Starthilfe sprang unser Wagen auch an und mein Mann machte sich nicht nur direkt auf den Weg in den Supermarkt, sondern holte im nächsten Baumarkt auch gleich mal eine neue Autobatterie. Zurück in der Klinik-Tiefgarage wartete der nette ältere Herr immer noch auf seine Frau. Offensichtlich freute er sich über die Abwechslung während der Wartezeit und packte wieder helfend beim Austausch der Autobatterie an. Was für ein wundervoller Mensch – ganz ❤ herzlichen Dank ❤ auch an dieser Stelle nochmal!

 

Es bleibt bis heute die Frage, ob die die leere Autobatterie die gerechte Strafe für das unerlaubte Entfernen meines Mannes vom Klinikgelände war. Oder war es sogar unbewusste Intuition, dass mein Mann noch vor der Geburt das Auto bewegen wollte? Sonst wären wir wohl später mit einem Neugeborenen in einem nicht anspringenden Auto gesessen und hätten vermutlich noch nicht einmal diesen netten älteren Mann zur Hilfe gehabt…

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