Schlückchen für Schlückchen…

Die abenteuerliche Reise zur Geburt | Part 4

Bevor ich loslege, bitte ich zu beachten:

 

In diesem Beitrag schreibe ich über mein Geburtserlebnis und nehme dabei nicht immer ein Blatt vor den Mund. Es war (leider) kein Wellness-Urlaub, sondern eben eine Geburt. Einerseits eine völlig natürliche Sache, andererseits können auch Worte und Details beschrieben sein, die manche Leser*innen beunruhigend finden können.

Entbindungsstation | Tag 2 - Dienstag

Du wirst es nicht glauben: Um 6 Uhr (!) war der (Alb-)Traum, oder besser gesagt der Schlaf, auch schon wieder vorbei! Eine Hebamme klopfte, stand dann auch schon im Zimmer, wünschte uns einen guten Morgen und teilte mit, dass sie nun die erste Runde CTG des Tages einläute… Ach, wie hatte ich es vermisst!

 

Und so ging es also wieder von vorne los:
CTG – spazieren, Untersuchungen, essen, entspannen – CTG – spazieren, Untersuchungen, essen, entspannen – CTG – spazieren, Untersuchungen, essen, entspannen …

 

Im Laufe des Vormittags kam die Oberärztin vom Vortag wieder zu mir und untersuchte mich nochmals. Der Muttermund war unverändert 2 cm geöffnet. Da es also keinen weiteren Fortschritt gegeben habe, sollte nun das Medikament Cytotec zur Geburtseinleitung zum Einsatz kommen. Über das durchaus umstrittene Mittel Cytotec, das Ärzte abseits der Zulassung als sogenanntes „Off-Label-Präparat“ zur Geburtseinleitung verwendet haben, hatte ich bereits gelesen.

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Es ist auch grundsätzlich nicht unüblich, dass Ärzte Präparate im Off-Label-Verfahren verwenden, sofern sie vorher über das Mittel aufklären und das Patienteneinverständnis einholen. Ich kenne das beispielsweise vom Medikament Metformin, das von vielen Ärzten ebenfalls im Off-Label-Verfahren zur Behandlung des PCO-Syndroms eingesetzt wird.

 

Der Einsatz eines Off-Label-Präparates unterliegt der ärztlichen Therapiefreiheit.

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Wie ich nun erfahren habe, wird das Präparat Cytotec in Deutschland seit April 2021 nicht mehr vertrieben.

 

Der in Cytotec enthaltene Wirkstoff Misoprostol – ein synthetisch hergestellter Abkömmling des Gewebshormons Prostaglandin – löst Kontraktionen der Gebärmuttermuskulatur (also Wehen) aus und fördert die Vorbereitung des Gebärmutterhalses auf die Geburt. Gleichzeitig hemmt der Wirkstoff Misoprostol die Ausschüttung von Magensäure, weshalb das Medikament ursprünglich eine Zulassung zur Prävention und Behandlung von Magen- und Darmgeschwüren erhalten hatte. Die richtige Dosierung von Cytotec zur Geburtseinleitung war oder ist nur schwer möglich, was zu Handhabungsfehler führen und somit schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich bringen kann – und oftmals (was schon viel zu oft ist) auch hat!

 

Mit dem Medikament Angusta ist seit September 2021 ein Misoprostol-Präparat auf dem Markt, das eine offizielle Zulassung als Mittel zur oralen Geburtseinleitung hat.

 

Eine Geburtseinleitung birgt ansich immer ein gewisses Spannungsfeld – ich selbst bin keine Verfechterin davon, in natürliche Körperprozesse einzugreifen, sofern keine absolute Notwendigkeit besteht. Und doch ist es aus medizinischer Sicht sicherlich nachvollziehbar, dass eine Geburt auch medikamentös eingeleitet werden kann.

 

So ganz ist das Thema rund um ein geeignetes Arzneimittel zur oralen Geburtseinleitung also wohl noch nicht vom Tisch. 

Nun gut – genug des medizinischen Exkurses… Ich sollte also mit Cytotec eingeleitet werden. Nein, ich sollte nicht nur, ich wurde!

 

Natürlich musste ich zuvor ein weiteres Formular unterzeichnen, eben das Einverständnis und die Erläuterungen zum Off-Label-Einsatz des Präparates. Gesagt, getan – mit Unterschriften war ich zu der Zeit im Krankenhaus recht großzügig… was blieb mir auch anderes übrig!

 

Kurz darauf bekam ich das Medikament Cytotec (eigentlich eine Tablette) in bereits aufgelöster flüssiger Form ins Zimmer. Alle zwei Stunden sollte ich nun ein Schlückchen davon nehmen – nicht zu viel! Ein Schlückchen eben… Im Nachgang betrachtet kann eben genau so eine „Dosierungsangabe“ fatal sein. Was ist denn nun ein Schlückchen, wie viel Milliliter des aufgelösten Medikaments soll ich denn nun genau zu mir nehmen? Ist ein Schlückchen für mich das gleiche Schlückchen wie für Dich?

 

Ja, so sehr ich Dinge innerlich hinterfrage, so wenig traue ich mich in bestimmten Situationen dann auch konkret nachzufragen. Am schlimmsten finde ich es aber, wenn die richtig guten Fragen erst eine ganze Zeit später im Kopf auftauchen! Wie oft habe ich mir schon einen gepimpten DeLorean in mein Leben gewünscht. Aber da hilft wohl nichts mehr, als sein Hirn zur richtigen Zeit anzustrengen und den Mund aufzubekommen. Ich übe immer noch – eine Lebensaufgabe, sag ich Dir!

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Und so wurde nach jedem Schlückchen wieder abgewartet und fleißig „ctg-t“…

 

Anfänglich kamen noch kleineren Wehen, die sich im Verlauf des Tages wieder komplett verflüchtigten. Nach dem „drölfundachtzigsten“ CTG des Tages und einer wiederholten Kontrolle des Muttermundes am Abend, wurde die Cytotec-Therapie für den Tag als beendet erklärt und wir in eine angenehme Nachtruhe entlassen.

 

Auf der Entbindungsstation der Klinik haben sie ja wirklich Humor… angenehme Nachtruhe! Ich sag nur: Hintergrundmusik! Und das Sägewerk neben mir, nicht zu vergessen!

Entbindungsstation | Tag 3 - Mittwoch

Wow, wie schön es doch ist von wildfremden – aber sehr freundlichen – Hebammen gegen 6 Uhr geweckt zu werden! Es gab wohl keine Zeit zu verlieren…

 

Ja, ich lache immer noch! Denn ehrlich gesagt: Den Mittwoch kürze ich hier deutlich ab – es ist nämlich im Grunde NICHTS Neues passiert:

 

Die Cytotec-Einnahme vom Vortag wurde wiederholt und führte erneut weder zu geburtsaktiven Wehen, noch zu Veränderungen am Muttermund.

 

Wir gehen also direkt über in die „angenehme Nachtruhe“, mit der berüchtigten Hintergrundmusik und dem Sägewerk… Und nein, an nichts davon hatte ich mich bis zur dritten Nacht gewöhnt!

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